Wir sind kaum drei Monate in Istanbul und trotzdem hatten wir schon mehr Besuch als in den letzten drei Berlin-Jahren zusammen. Aber was könnte auch schöner sein als seine neue Heimat gemeinsam mit den Liebsten zu entdecken oder ihnen die verstecken Orte und Besonderheiten, die man bereits entdeckt hat mit dem Besuch zu teilen? Wichtiger Bestandteil jeder Stadtführung sind natürlich ausgiebige Streifzüge durch die kulinarischen Besonderheiten der türkischen/osmanischen/orientalischen Küche, ausgedehnten Verschnaufpause in Restaurants und Cafés, oder spontane Street-Food-Naschereien. Für mich persönlich gibt es nichts Schöneres. Was in meinen Gedanken ein nie enden wollendes Gefühl von Urlaub hervorruft, ist für meinen Fruktose geplagten Magen ein Albtraum schlecht hin. Denn wie ich mich so in den vergangenen Wochen immer wieder in den vielen neuen, Gaumen schmeichelnden Geschmäckern verloren habe, mussten Magen und Körper grundsätzlich den kürzeren ziehen. Doch ich merke aufs neue, der Körper ist nicht zimperlich, wenn es darum geht einem solche Ausreißer heimzuzahlen. Ich fühl mich schlapp und ausgelaugt, die kleinsten Mengen Fruktose sorgen für ein rumpelndes Gluckerkonzert in meinem Bauch und ich bin wieder häufiger krank als sonst. Nachdem ich mich in den letzten Wochen immer wieder selbst mit Sprüchen wie „Mhm, das sieht unfassbar gut aus, das muss ich probieren. Ich weiß es ist nicht gut für mich, aber ein kleiner Löffel davon, vielleicht auch zwei, werden schon nicht schaden, oder?“ beschwichtigt und Löffelweise Gemüse, Obst, und ja, auch Süßigkeiten, in mich hineingeschaufelt habe, wird es Zeit meinem Körper eine Verschnaufpause zu gönnen, meine Essgewohnheiten stärker zu reflektieren und bzw. insbesondre das Naschen zu verlernen. Das Naschen verlernen? Was ist so schlimm am Naschen, fragt ihr euch vielleicht. Ich müsste doch lediglich darauf achten was ich knabbere, oder nicht? Eben nicht. Ich rede wirklich davon das Naschen in voller Gänze zu verlernen.
Aber warum? Auf den ersten Blick scheint nichts Verwerfliches am Knabbern. Jeder genießt doch hier und da eine kleine Schleckerei. Stimmt, keine Frage. Als ich jedoch mit Fruktoseintoleranz diagnostiziert wurde, habe ich nicht ahnen können, dass das sinnfreie knabbern zwischen den Mahlzeiten eines der schlimmsten Angewohnheiten sein würde, die es in den Griff zu bekommen gilt.
Wie die meisten von uns, bin ich mit der Vorstellung aufgewachsen, dass es vollkommen in Ordnung ist, den ganzen Tag lang an Obst, Salzstangen, Keksen, Nüssen oder sonstigem zu knabbern. Somit bin ich nach nun 29 Jahre langem „Training“ mehr als erfolgreich darauf konditioniert ständig zu knabbern und zu nibbeln, egal ob ich nun hungrig bin oder nicht. In 90% der Fälle wahrscheinlich letzteres, maximal gelangweilt, aber hungrig? Nicht wirklich. Mir erscheint es mittlerweile so als ob Naschen zu einer der größten Freizeitbeschäftigung unserer heutigen Gesellschaft geworden ist.
Egal wo man hingeht oder hinschaut, die Knabbereien warten schon auf einen: Sei es der Keks der mit dem Latte Macchiato daher kommt, das Popcorn im Kino, die Kugel Eis während des Sonntagsspaziergangs, die Apfelsscheiben während der Arbeit, die gesalzenen Erdnüsse zum Feierabendrink oder der Haferflocken-Cookie in den Händen meines Freundes (mehr zu diesem Thema in meinem nächsten Post). All diese unschuldig erscheinenden Knabbereien haben einen gemeinsamen Nenner: Fruktose in rauhen Mengen. Bedauerlicherweise habe ich viel zu sehr verinnerlicht, dass es vollkommen in Ordnung ist einfach meine Hand auszustrecken und sämtliche, in greifbarer Nähe stehenden Snacks in mich hineinzuschaufeln ohne auch nur einen Moment darüber nach zu denken, was ich da tue. Und dann ist sind sie wieder da, die Magenschmerzen, die Müdigkeit und die in mir aufsteigende Enttäuschung, dass ich es wieder einmal nicht geschafft habe zu widerstehen.
Das Naschen ist und bleibt die am schwierigsten zu verlernende Angewohnheit. Auch drei Jahre nach der Diagnose Fructoseintoleranz bin ich noch weit von einem „Knabberfreien“-Ernähungs-Alltag entfernt. Und deshalb sitz ich nun erneut hier und versuche das Knabbern zu verlernen. Ich mach mir nichts vor, diesen Moment werd ich mit Sicherheit noch häufiger erleben. Mit großer Wahrscheinlichkeit genau dann, wenn ich das Gefühl habe die Fruktoseintoleranz im Griff zu haben, und zack, sind all die schlechten Angewohnheiten und „unerlaubten“ Snacks wieder auf dem Tisch.
Aber, und dies ist ein positives aber, es gibt ein paar Tricks, dir mir dabei helfen das Naschen auf ein Minimum zu reduzieren, oder sagen wir es so, es mir selbst nicht noch Schwieriger zu machen, als es sowieso schon ist:
- Ich kaufe ich keine Snacks mehr, egal in welcher Form und nehme auch keine Snacks mehr mit zu Arbeit (bzw. mit zur Sprachschule =).
- Ich versuche jeden Tag drei ausgewogene und ausreichend sättigende Mahlzeiten zu mir zu nehmen um dem Hunger zwischendurch ein Schnippchen zu schlagen und nicht zu irgendwelchen, gerade verfügbaren (und meist fruktosehaltigen) Snacks greifen zu müssen.
- Falls ich unterwegs bin und doch zwischendurch Hunger bekomme, greife ich nicht zu Knabbereien sondern trickse den Körper aus in dem ich einen sättigendn Cappucino, Latte Macchiato, viel Kräutertee oder einfach Wasser trinke.
- So blöd es sich anhört, aber ich schiebe sogar, sobald ich irgendwo gemütlich mit Freunden zusammen sitze sämtliche Snacks aus meiner unmittelbaren Reichweite, um zu verhindern, dass ich allzu gedankenverloren zugreife.
- Wenn ich zum Essen oder Kaffee eingeladen bin, bringe ich in der Regel meinen eigenen Nachtisch wie diese Kokosnuss-Buttermilch-Muffins oder diesen Orangen-Kardamon-Joghurt-Kuchen mit. (Update* beide Rezepte sind noch aus meiner Zeit wo ich nicht wusste, dass man bei einer Fructoseintoleranz auch auf Weizen verzichten sollte)
- Ich sage auch all meinen Freunden, dass sie mir immer wieder einbläuen sollen, wie schlecht diese Snacks für mich sind und wie unwohl ich mich nach dem Essen fühlen werde, sobald ich ich auch nur ansatzweise in Versuchung komme fruktose-haltige Snacks zu essen
Es sind simple Alltagstricks, und doch so schwer in die Tag umzusetzen.
Ich möchte ungern eure Nascheinheiten vermiesen, wobei, doch, möchte ich. Tut euch und eurem Körper und Magen den Gefallen und gebt ihm zwischen den Mahlzeiten Zeit durchzuatmen bevor er wieder an der nächsten Ladung Essen und somit immer auch an der nächsten Ladung Fructose zu knabbern hat.
Habt ein großartiges Wochenende und verratet mir, was sind eure Tricks und Tips gegen die omnipräsente Knabberversuchung?
P.s. Ich habe einen weiteren Blog in meine Blogroll aufgenommen http://fabulouslyfructosefree.blogspot.com/
Katrin says
Ich weiß haargenau, was du meinst. Es ist schrecklich. Gerade wenn ich bei meiner Familie bin. Danach werden immer ein paar Fastentage eingelegt, damit sich das Chaos im Magen beruhigt.
fructopia says
Danke Katrin, ich bin froh, dass ich zumindest nicht alleine bin mit dem Problem. Warum muss essen nur so schrecklich gesellig sein? Hoffe Dir geht es gut und wir haben bald auch von dir wieder einen neuen Post im Mail-Eingang! =)
Sandra says
Ohhh ja! Kenne das Gefühl, bin neu im geschäft des Fructosefreien Lebens :(( gar nicht so einfach allem „GUTEN“ zu wiederstehen ;(
fructopia says
Hallo Sandra, willkommen im Club! Einfach ist es leider wirklich nicht. Ich hoffe, dass die neue Ernährungsweise bald „anschlägt“ bei Dir und Du dich schnell besser fühlen wirst. Wenn man erstmal merkt wie gut es einem eigentlich gehen kann, wird auch die Energie mehr und Motivation größer konsequent zu bleiben und weiterhin auf die Fruktose und Zucker allgemein zu verzichten! =) Falls Du Fragen hast, kannst Du dich gerne jeder Zeit an mich wenden. Und falls dich ein Blogpost zu einem ganz bestimmten Thema interessieren würde, sag gerne Bescheid! Freu mich immer über Feedback.
Melissa says
Hallo, ich bin zwar schon seid ein paar Jahren fructosearme unterwegs aber dennoch habe ich in den letzten Tagen herausgefunden das popcorn wohl mittlerweile auch nicht mehr geht. Mal schauen..Ich habe mir fructaid Tabletten gekauft und kann diese nur empfehlen 🙂 Diese halfen mir bis her sehr gut und wer weiß vielleicht auch bei popcorn^^
Deniz says
Oh no! Jetzt auch noch Popcorn? Meh. Tut mir Leid zu hören! Salziges geht auch nicht? Cool zu hören, dass dir die Tabletten so gut helfen! Ich hatte vor Jahren mal den Vorgänger getestet, leider mit mässigem ERfolg. Am Abend selber ging es mir blendend, dafür kam der Überfall dann am Tag danach. Daher halte ich mich aktuell von Hausmitteln, abgesehen Kohletabletten, fern. Wie häufig nimmst du Fructaid denn?
SrtaSoleada says
That picture . . . that is exactly how I feel.
Aristra says
Hallo Deniz,
Ich bin ein großer Fan deines Blogs und deines Kochbuches. Mir gefällt sehr gut das du das Thema Müdigkeit immer wieder erwähnst. Lange Zeit wusste ich nicht woher bei mir diese ständige Müdigkeit kommt. Nun verstehe ich es.
Für mich ist es oft sehr schwer den Naschereien zu widerstehen. Als ich die Diagnose frisch erhalten hatte, war es im ersten Jahr noch kein Problem für mich, aber dann hatte ich Schnauze voll davon immer diejenige zu sein, die nichts isst. Freunde und Verwandte haben auch oft kein Verständnis, haben sie sich doch mit ihren selbstgemachten Torten oder Salaten die größte Mühe gegeben. Dann komme ich und sage, nein danke. Muss dabei aber ständig das leckere essen anschauen. Leckerer Früchtesalat, mit Honig gesüßt, wie gesund….. Oft habe ich erst 3 Tage später schreckliche Bauchkrämpfe.
Viele Grüße, Aristra
Deniz says
Liebe Aristra,
schön, dass du schreibst! Ich kann total verstehen, wie es dir geht. Auch ich habe nach wie vor Schwierigkeiten den Naschereien zu widerstehen. Gerade wenn ich unter Stress oder unruhig bin. So eine Fructoseintoleranz ist definitiv der Iron Man unter den Intoleranzen. Man braucht eine Menge Geduld, Ausdauer und muss sich gefühlt in jeder Zutatendisziplin auskennen. Und bis der Verstand über den Impuls „einfach zuzugreifen“ gewinnt, braucht es vor allem Vorbereitung, Training, aber auch Rückschläge. Mir haben immer erst die „dreckigen“ Tage danach verdeutlicht, dass diese kurzen, vermeintlichen Genussmomente es langfristig nicht wert sind. Daher habe ich mir meine paar Hauptproblemkinder rausgepickt, die ich konsequent meide. Das macht es nicht leichter, aber mir geht es auf Dauer zumindest so gut damit, dass mein Körper mir andere Naschereien viel eher verzeiht. Versuch ein Team mit dir und deinem Bauch zu werden und dich jeden Tag auf kleine Kompromisse einzulassen „Zu Süßem und Brot sag ich nein, dafür gönn ich mir später ein, zwei Erdbeeren mehr, oder vielleicht sogar eine Weinschorle!“… Bei zu viel Verzicht wird man ja sonst noch komplett verrückt! 😉 Wie lange weisst du denn schon von deiner Unverträglichkeit? Liebe Grüße aus Berlin! Deniz
Aristra says
Hallo Deniz,
Ich weiß nun ca. 4 Jahre von meiner Fruktose – Unverträglichkeit. Das mit der Laktose weiß ich schon seit 6 Jahren. Aber Fruktose in den Griff zu bekommen ist 1000 mal schwerer.
Wie schon erwähnt, ich bin echt sehr froh über deinen Blog :-). Mach weiter so. Deine Tipps und Rezepte sind echt hilfreich.
Viele Grüße aus Illerrieden , Aristra